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Normative Systeme

Mich interessieren Genese und Funktionsweise normativer Systeme. Normative Systeme sind solche, in welchen Prozesse zur Generierung von Normen (im weiten Sinn verstanden, Menge der raumzeitlich aktual bedeutsamen Normen = Moral) existieren, die auf das System selbst zurückwirken. Diese Prozesse können auch Begründungsleistungen verlangen (also Teil der Ethik werden)  Mindestens drei Ebenen sind dabei unterscheidbar: Moral agents (Thema u.a.: deren innere Funktionsweise, Moralpsychologie, Neuroscience of Ethics), Gruppen von moral agents mit hoher Interaktionsdichte (Themen u.a.: ), soziale Institutionen (Themen u.a.: ).

(Text vom 05.06.08)

 

 

Projekte in Vorbereitung

 

Laufende Projekte:

  • Serious Moral Games
  • Moral Intelligence
  • Drone dilemmas
  • Parenting & Moral Identity
  • Klinische und ethische Aspekte der Tiefen Hirn- stimulation bei Bewegungs-störungen
  • Der "unmoralische Patient"
Abgeschlossene Projekte:
  • DBS & moral agency (2008-2011)
  • SNF-Studie moral agency (2007-2010).
  • Pilotprojekt: Grundlagen moralischer Orientierung (Januar 2005 - April 2006)

Projekt: Serious Moral Games

Das Projekt wird durch ein Stipendium der Universität Zürich an der University of Notre Dame und der University of Arizona unterstützt. Pilotstudie erfolgte im Rahmen des Projekts DBS & Moral Agency

Das Projekt „Serious Moral Games: Szenario-Entwicklung und -Validierung“ will ein neues Instrument für experimentelle Ethik schaffen, das eine realitätsnahe und kultursensitive Erforschung des moralischen Urteilens und Handelns ermöglicht. Basierend auf einer durch den Antragsteller umgesetzten Pilotstudie (zusammen mit Game Design Fachleuten der Hochschule für Kunst Zürich) und unter Einbezug aktueller Erkenntnisse der Moralpsychologie sollen modular zusammensetzbare Test-Szenarien entwickelt und validiert, sowie in ein parallel zu entwickelndes Gameplay integriert werden. Durch ein „philosophisches Peer Review“ ausgewiesener Fachleute der experimentellen Ethik wird sichergestellt, dass die Komplexität des moralischen Urteilens angemessen berücksichtigt wird.

Resultat ist ein umsetzungsfertiges Design eines Serious Moral Games (SMG) verknüpft mit einer Realisierungsplanung (mit Blick auf Programmierung etc.) sowie wissenschaftliche Publikationen, die aus der experimentellen Validierung der Szenarien resultieren. Das SMG soll den gängigen Methodenapparat der Moralforschung (der sich u.a. auf „Tests“ wie z.B. dem Trolley-Dilemma abstützt) wesentlich erweitern. Modularität soll Anpassungen an spezifische Fragen (z.B. den Effekt von Framing, Zeitdruck in Entscheidungsprozessen) erlauben. Das durch den Spielcharakter anwenderfreundliche Setting soll es erlauben, unterschiedliche Gruppen von Probanden anzusprechen und den „Bias“ der aktuellen Forschung (resultierend aus der Tatsache, dass Verhaltensexperimente vorab mit Studierenden umgesetzt werden) abmildern. Zudem soll im Rahmen des Projektes untersucht werden, inwieweit ein solches Serious Moral Game als Instrument für Moralbildung benutzt werden kann.

Dieses Projekt soll im Rahmen einer Fellowship an der University of Notre Dame in den USA umgesetzt werden. Grund der Standortwahl ist, dass am dortigen Psychologischen Institut und im Umfeld der „Collaboration for Ethical Education“ international renommierte Fachleute (u.a. Prof. Darcia F. Narvaez und Prof. Dan Lapsley) in den Bereichen Test-Design in der Moralforschung, Moralentwicklung und Moralerziehung forschen. Zudem besteht ein bereits etablierter Kontakt zum Department of Philosophy der University of Arizona (Prof. Shaun Nichols, experimentelle Ethik), der das „philosophische Peer Review“ sicherstellen wird.
 

 

Partner:

Präsentationen:


Publikationen:

  • Christen M, Faller F, Götz U (2010): Moral Gaming. Ethische Entscheidungen in der Spielmechanik von Videospielen. UFSP Ethik / Zürcher Hochschule der Künste, Design Department, Game Design.


Projekt: Der „unmoralische Patient“ – eine kritische Analyse des Einsatzes hirnverletzter Personen in der empirischen Moralforschung

Das Projekt ist eine Ausgliederung des unten beschriebenen SNF-Projektes

Fragestellung: Patienten sind nicht nur Objekte von Menschenbildern dahingehend, dass solche Bilder den Umgang mit Personen im medizinisch-klinischen Alltag prägen. Patienten können auch konstitutiv an der Ausgestaltung von Menschenbildern mitwirken, indem sie in Forschungen eingebunden werden, die Auskunft über biologische Grundlagen der conditio humana geben. Dies zeigt sich in besonderem Masse bei der Einbindung hirnverletzter Personen in Studien über die Grundlagen des menschlichen Sozialverhaltens. Exemplarische Beispiele sind Untersuchungen an Patienten mit Läsionen im präfrontalen Kortex, die in jüngster Zeit in den Fokus der empirischen Moralforschung gerückt sind. Wir analysieren anhand dieses Beispiels die Fragestellung, welche Vorstellung von Moralität durch die Einbindung hirnverletzter Personen in solche Forschungen gestützt wird und welche Unterschiede zwischen dieser Vorstellung und der Wahrnehmung des Verhaltens dieser Personen im Kontext der neurologischen Diagnostik bestehen.

Methode: Wir verwenden zwei Zugänge zur Untersuchung unserer Fragestellung: Zum einen wird die aktuelle Literatur im Bereich der empirischen Moralforschung, in der Personen mit präfrontalen Verletzungen als Probanden auftreten, einer genauen Analyse hinsichtlich der verwendeten Methoden (z.B. solche der experimentellen Ökonomie) und der aus deren Einsatz gezogenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Moralität der Versuchspersonen unterzogen. Zum anderen wird anhand eines exemplarischen Falls (Patient G.) mittels Rekonstruktion von dessen Fallgeschichte aufgezeigt, mit welchen narrativen Elementen dessen Moralität medizinisch problematisiert wurde.

Ergebnisse: Wir zeigen, dass die aktuelle empirische Moralforschung unter Einbezug hirnverletzter Probanden eine Vorstellung von Moralität stützt, die sich eng an theoretische Unterscheidungen der normativen Ethik anlehnt – etwa indem solche Patienten „utilitaristischer“ entscheiden würden. Nebst damit verbundenen methodischen Problemen, die in unserer Untersuchung dargelegt werden, ergibt der Vergleich mit der Fallrekonstruktion, dass das damit vermittelte Bild von Moralität den tatsächlichen, moralisch problematisierten Verhaltensauffälligkeiten in der Diagnostik nur bedingt gerecht wird. Basierend auf diesem Ergebnis präsentieren wir das Konzept einer Umfrage, mit der unter Verhaltensneurologen und Neuropsychologen untersucht werden soll, ob und inwieweit aktuelle Forschungen im Bereich der Sozialen Neurowissenschaften die Diagnostik hirnverletzter Menschen beeinflusst.

   Partner:

Präsentationen:

Publikationen:

 

 


Klinische und ethische Aspekte der Tiefen Hirnstimulation bei Bewegungsstörungen: eine weltweite Umfrage bei führenden Forschern

Das Projekt wird von der Stiftung Parkinson Schweiz unterstützt

Das Forschungsprojekt „Klinische und ethische Aspekte der Tiefen Hirnstimulation (deep brain stimulation, DBS) bei Bewegungsstörungen“ soll mittels einer internetbasierten, weltweiten Umfrage in der „DBS community“ Daten zu klinischen und ethischen Aspekte der Anwendung dieses Verfahrens bei Bewegungsstörungen (insbesondere Parkinson) erheben. Diese Daten sollen eine Einschätzung wichtiger derzeitiger Kontroversen der Anwendung dieses Verfahrens durch jene Wissenschaftler erlauben, die in der sich über knapp 20 Jahren erstreckenden Forschungsliteratur präsent gewesen sind – die also das gesammelte klinische Wissen aus unterschiedlichen Fachgebieten (insbesondere Neurologie, Neurochirurgie/ Stereotaxie, Psychiatrie und Neuropsychologie) repräsentieren.

Eine solche Umfrage ist nicht nur wissenschaftlich relevant und innovativ (unseres Wissens wurde eine derartige Umfrage bislang nicht durchgeführt). Dadurch lassen sich auch wichtige, patientenrelevante Informationen gewinnen – etwa mit Blick auf die Gestaltung der informierten Zustimmung, die Einschätzungen eines in der Literatur diskutierten „satisfaction-gap“ (die These, dass die in der Literatur publizierten Scores zu Quality of Life etc. nicht die tatsächliche Zufriedenheit der operierten Patienten widerspiegele) oder der Auswahlkriterien für Patienten. Da die Anwendung der Tiefen Hirnstimulation derzeit weltweit stark zunimmt und auch in der Schweiz zunehmend zu einer Option für Patienten (nicht nur für Parkinson-Patienten) wird, sind die durch die Umfrage erhobenen Daten auch für die weitere Entwicklung und Implementierung dieses Verfahrens im hiesigen Kontext relevant.

Die Umfrage basiert auf einer umfassenden Meta-Studie der gesamten Literatur zur Tiefen Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus (dem heute bevorzugten Zielgebiet der Tiefen Hirnstimulation bei Parkinson), die derzeit vom Antragsteller (zusammen mit einem schweizerisch-deutschen Team) umgesetzt wird und von der Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften unterstützt worden ist (siehe dazu Punkt 1.3). Im Zug dieser Untersuchung ist eine Datenbank von mehr als 1600 Forschenden weltweit erstellt worden, die in den vergangenen Jahren zu diesem Thema aus unterschiedlichster Perspektive publiziert haben. Damit steht eine sehr gute Basis für die Durchführung dieser Umfrage zur Verfügung.

 

 Partner:

  • Hans-Werner Bothe (Neurochirurgie, Universitätsklinikum Münster)
  • Peter Brugger (Neuropsychologie, Universitätsspital Zürich)
  • Sabine Müller (Neuroethik, Universitätsklinikums Aachen. NEU: Mind and Brain Institute Berlin, Link funktiooniert noch nicht)


Präsentationen:

Publikationen:

 


SAMW-Projekt: Auswirkungen der Tiefen Hirnstimulation auf die moral agency: Entwicklung einer Methodik zur Problemerfassung und -validierung

Das Projekt wird von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften unterstützt

Die Tiefe Hirnstimulation (deep brain stimulation, DBS) entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem breit angewendeten Verfahren für die Therapie von Bewegungsstörungen (Parkinson, Dystonie etc.) und wird für die Behandlung zahlreicher weiterer (vorab psychiatrischer) Krankheiten (Zwangsstörungen, Depression etc.) experimentell geprüft. Dieses Verfahren gilt als neuer Ansatz für die Therapie von medikamentös nicht mehr zugänglichen Störungen in neuronalen Regulationssystemen. Zugleich häufen sich jedoch (anekdotische) Berichte über Verhaltensänderungen bei den Betroffenen als Folge dieser Intervention, die teilweise sogar die moral agency der Betroffenen – also deren Fähigkeit, moralisch zu handeln – zu beeinflussen scheint. Solche Veränderungen des Handelns und Verhaltens sind schwierig zu erfassen, zumal sie in sozialen Interaktionen zum Tragen kommen und Selbst- wie Fremdbeurteilung eine Rolle spielen.

Das Projekt strebt die Entwicklung einer neuen Methode zur Erfassung solcher komplexer Verhaltensänderungen an, welche die Begrenzungen herkömmlicher Ansätze für die Erfassung der moral agency (z.B. das Kohlberg-Paradigma) überwinden und dennoch komparable Resultate ermöglicht. Dieses Ziel soll mittels zwei Schritten erreicht werden.

  1. In Form einer Meta-Studie soll die aktuelle Literatur über die Anwendung von DBS für unterschiedliche Indikationen kritisch geprüft werden. Dabei soll insbesondere untersucht werden, welche Formen „komplexer“ Verhaltensauffälligkeiten in den Studien thematisiert werden, welche Methoden zur Untersuchung dieses Phänomens Anwendung finden und welche Resultate dabei gewonnen werden. Damit soll das Ausmass der Problematik komplexer, nicht intendierter Verhaltensveränderungen aufgrund von DBS genauer abgeschätzt werden.

  2. Basierend auf dem Serious-Game-Ansatz soll ein neues Verfahren zur Erfassung solcher Verhaltensveränderungen entwickelt werden. Grundidee ist die Nutzung von Computerspielen als „Messinstrument“, das einen komplexen aber reproduzierbaren Parameterraum erzeugt. Durch das Spielen eines für dieses Problem angepassten Computerspiels wird gewissermassen ein „moralisches Profil“ der Spieler erfasst – wobei aber nicht eine „absolute“ Aussage über den „moralischen Charakter“ einer Person (etwa im Sinne des Stufenmodells von Kohlberg) gewonnen werden soll, sondern dessen Veränderung aufgrund der Modifikation interner (Spielparameter) und externer (Patientenzustand, z.B. mit/ohne Stimulation) Faktoren eruiert werden soll. Der Spielcharakter hat zudem ein motivierendes Element – ein für die Arbeit mit Patienten zentraler Aspekt.

Eingebunden ist dieses Projekt in eine laufende Nationalfonds-Studie zur theoretischen Erfassung von moral agency – basierend auf Forschungen in Bereichen wie social cognitive neuroscience und Moralpsychologie und unter Berücksichtigung philosophischer Erkenntnisse. Partner ist hier die Abteilung Neuropsychologie des Universitätsspitals Zürich und das Graduiertenprogramm für interdisziplinäre Ethikforschung der Universität Zürich. Weiter sind Forschungsgruppen der Universitätskliniken Münster und Aachen, in welchen DBS durchgeführt werden und welche bereits auf das Problem der Beeinflussung von moral agency durch DBS hingewiesen haben, am Projekt beteiligt. Damit ist einerseits ergänzendes Fachwissen zur Durchführung der Meta-Studie vorhanden und andererseits gesichert, dass bei der Konzeption des Serious Games der Aspekt der Patienten-Compliance berücksichtigt wird. Schliesslich ist die Gruppe „Serious Game Design“ der Zürcher Hochschule der Künste am Projekt beteiligt – eine der europaweit wenigen Gruppen, welche im Bereich Serious Games arbeitet.

Das Projekt ist damit in zweifacher Hinsicht ethisch relevant: Zum einen ist es angesichts der innerhalb weniger Jahre stark gestiegenen Anzahl von DBS-Behandlungen sowie der Ausweitung der Indikationen für DBS auf psychiatrische Krankheiten eminent wichtig, allfällig damit einhergehende Auswirkungen auf die (moralische) Persönlichkeit der Betroffenen methodisch gesichert erfassen zu können und damit einer medizinethischen Bewertung zugänglich zu machen. Zum anderen liefert das Projekt einen Beitrag zur empirischen Untersuchung von moralischem Handeln und Verhalten, welcher der Komplexität dieses Phänomens angemessener ist als bisherige Ansätze. (Stand des Textes: März 2008).

   Partner:
  • Hans-Werner Bothe (Neurochirurgie, Universitätsklinikum Münster)
  • Peter Brugger (Neuropsychologie, Universitätsspital Zürich)
  • Sabine Müller (Neuroethik, Universitätsklinikums Aachen. NEU: Mind and Brain Institute Berlin, Link funktiooniert noch nicht)
  • Ulrich Götz (Game-Design, Zürcher Hochschule der Künste)

Präsentationen:

Publikationen:
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SNF-Projekt: Die neurobiologische Untersuchung des moral agent: Eine Spezifizierung aus philosophischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive

Projekt wird unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfonds

Die Suche nach „biologischen Grundlagen“ von sozialem Verhalten ist seit den 1990er Jahren wieder vermehrt Gegenstand der Neurowissenschaft geworden. Viele dieser Studien fokussieren direkt oder indirekt wesentliche Komponenten des moralischen Subjekts (moral agent) und zielen auf die Schaffung einer „Neurobiologie der Moral“. Diese Entwicklung stellt für die philosophische Ethik eine Herausforderung dar. Die durch obige Forschung vorgeschlagenen Modelle stellen die Rolle des rationalen Denkens zugunsten einer unbewussten Vorspurung der Entscheidungsfindung durch „moralische Stimuli“ zurück. Teilweise strebt diese Forschung programmatisch eine „Naturalisierung“ von Moral an. Zudem ist zu vermuten, dass die Frage nach der Determiniertheit moralischer Verhaltensdispositionen in der Hirnforschung mit grosser gesellschaftlicher Wirkmacht diskutiert werden dürfte – etwa hinsichtlich des erneuten Aufkommens einer unkritisch angewandten Psychochirurgie. Insgesamt bahnt sich damit eine Zweiteilung des Verhältnisses von Neurowissenschaft und Ethik entlang klassischer disziplinärer Grenzen an: eine neuroscience of ethics als Angelegenheit der empirischen Forschung und eine ethics of neuroscience als Aufgabe der Geisteswissenschaft. Eine solche Zweiteilung verkennt die gegenseitige Verschränkung der beiden Projekte, wie der Einbezug der Kulturgeschichte der Hirnforschung deutlich macht. Im vorgeschlagenen Forschungsprojekt soll deshalb ein Modell eines moral agent entwickelt werden, das den philosophischen und kulturwissenschaftlichen Einwänden Rechnung trägt. Dies geschieht in drei Schritten:

  1. Durch eine Rekonstruktion der aktuellen neuropsychologischen Forschung im Bereich „Neurobiologie der Moral“ aus der Perspektive der philosophischen Ethik soll ein Arbeitsmodell des moral agent resultieren.
  2. Durch eine Untersuchung des Diskurses über „Moral und Gehirn“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Arbeiten von Constantin von Monakow soll die historische Verschränkung der empirischen und philosophischen Forschung über neurobiologische Grundlagen der Moral aufgezeigt werden.
  3. Durch eine Erfassung der aktuellen neuroethischen Debatte soll die Wechselwirkung der neurobiologischen Erfassung von Moral mit den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen dieses Projektes deutlich werden.
Das Projekt soll damit Möglichkeiten und Grenzen der neurowissenschaftlichen Untersuchung von moral agency offen legen, indem ansonsten getrennt operierende Disziplinen (Ethik, Kulturgeschichte der Hirnforschung, Neuropsychologie) kooperieren. (Stand des Textes: März 2007)
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Pilotstudie: Abklärung des möglichen Beitrags der Neurowissenschaft und der Verhaltensforschung zum Verständnis moralischer Orientierung

Die Suche nach biologischen Grundlagen von moralischem Verhalten ist in jüngerer Zeit vermehrt Gegenstand der Neurowissenschaft und Verhaltensforschung geworden. Im Rahmen des Schwerpunktes Ethik der Universität Zürich ist das Projekt „Grundlagen moralischer Orientierung“ lanciert worden, das unter anderem die Relevanz dieser Forschung für genuin ethische Fragen untersuchen soll. Die vorliegende Arbeit dient als Pilotstudie für dieses Projekt. Sie soll aufgrund einer Analyse der aktuellen Forschungsliteratur aufzeigen, wie Moral in den letzten Jahren Gegenstand der Neurowissenschaft und Verhaltensforschung geworden ist, welche konkreten Fragestellungen untersucht werden, welche Methoden dafür Anwendung finden und welche Ergebnisse bisher erzielt worden sind. Basierend auf dieser Zusammenstellung sollen Forschungsfragen und potentielle Kooperationspartner im Raum Zürich identifiziert werden, welche für das Projekt von Nutzen sein können.

Die Pilotstudie beginnt mit einer Schärfung der Kernbegriffe „Ethik“ bzw. “Moral“ im Kontext der zu untersuchenden Arbeiten und einer thematischen Abgrenzung der Literaturrecherche. Aufgrund der untersuchten empirischen Studien werden vier Aspekte genauer vorgestellt: Erstens stellt sich die Frage, welche Stimuli bei Experimenten als „moralisch“ qualifiziert werden und aufgrund welcher Kriterien dies geschieht. Zweitens wird untersucht, welche Mechanismen postuliert werden, die dem moral decision making zugrunde liegen sollen, und mit welchen Methoden dieser Prozess analysiert werden soll. Drittens stellt sich die Frage nach der empirischen Erfassung einer „moralischen Handlung“ im Rahmen eines Experiments bzw. nach den Kriterien, die eine solche Handlung als „moralisch“ qualifizieren. Viertens wird analysiert, welchen Stellenwert zentrale Elemente der philosophischen Ethik wie Begründungen, normative Theorien etc. im Rahmen solcher Untersuchungen bzw. der daraus folgenden Erklärungsmodelle haben. Kaum eine der untersuchten Studien bezieht explizit zu allen vier Aspekten Stellung. Vielmehr kann eine eher unscharfe Begriffsverwendung festgestellt werden.

Da im Zug eines anhaltenden Booms von Imaging-Studien komplexe Verhaltensweisen von Menschen zunehmend Gegenstand der Neurowissenschaft geworden sind, war eine thematische Abgrenzung unumgänglich. Die grosse Mehrheit der untersuchten Studien benutzten zu einem wesentlichen Teil Imaging – also Techniken zur Visualisierung neurobiologischer Vorgänge in vivo. Da mit dieser Technik eine Reihe methodischer Probleme verbunden sind, werden in dieser Pilotstudie die verschiedenen Varianten des Imaging, wie auch Methoden der experimentellen Ökonomie vorgestellt. Zeitlich wurde der Fokus auf Arbeiten der vergangenen fünf bis zehn Jahre gelegt. Gewiss war Moral bzw. moralisches Verhalten bereits Jahrzehnte zuvor in einer Reihe von naturwissenschaftlichen Gebieten – vorab in der Neurologie und der Soziobiologie – ein Forschungsgegenstand. Eine historisch fundierte Studie konnte in dieser Pilotstudie nicht geleistet werden. Eine bibliometrische Untersuchung zeigt aber, dass die Frage nach den neurobiologischen Grundlagen komplexer Verhaltensweisen, wie eben moralisches Verhalten, erst in jüngster Zeit ein stärker diskutiertes Thema der Neurowissenschaft geworden ist. Umfassend abgedeckt wurden Imaging-Studien, welche explizit moralisches Verhalten als Forschungsgegenstand wählten. Nur teilweise abgedeckt wurden Forschungsfelder, welche im Umfeld solcher Studien angesiedelt werden, vorab die social cognitive neuroscience, die Emotionsforschung und die Erforschung von Spiegelneuronen. Im Rahmen dieser Übersicht werden auch Studien über die Untersuchung moralnaher Verhaltensweisen bzw. Fähigkeiten wie Religiosität, Empathie, Intuition, Bedauern, Enttäuschung, Lügen, Vertrauen, Kooperation und Altruismus vorgestellt. Basierend auf den oben dargestellten vier Aspekten einer empirischen Untersuchung der Moral werden dann Ansätze zu einem Modell der neuronalen Grundlagen der Moral präsentiert.

Die Resultate vieler dieser Studien zeigen sehr deutlich die Probleme auf, welche bei der empirischen Untersuchung eines komplexen sozialen Verhaltens wie „moralisch Handeln“ auftreten. In den meisten Fällen wird ein recht einfacher Begriff von „Moral“ verwendet. Die Imaging-Studien erreichen in der Regel kaum mehr als eine Lokalisierung der – erwartungsgemäss zahlreichen – Hirnregionen, welche bei moral decision making involviert sein sollen. Bei so mancher Studie treten auch grundlegende skeptische Fragen hinsichtlich des Studiendesigns und der Aussagekraft der erzielten Resultate auf. Interessanter erscheinen jene Studien, welche Imaging mit einem (spieltheoretischen) Verhaltensparadigma verknüpfen, um damit moralnahe Verhaltensweisen wie Vertrauen zu untersuchen, da dieses Verhalten damit besser quantifiziert werden kann. In theoretischer Hinsicht favorisieren die vorgeschlagenen Modelle einen Automatismus beim moral decision making, wonach unbewusste Prägungen moralischer Stimuli den Entscheidungsprozess vorspuren und die daraus folgende Handlung erst post faktum mit einer rationalen Erklärung unterlegt würden.

Im Zug der Literaturrecherchen hat sich ergeben, dass ethische Probleme der Neurowissenschaft im Zug der so genannten Neuroethik etwa ab 2002 vermehrt diskutiert wurden. Aus diesem Grund wurde der Neuroethik ein eigenes, zusätzliches Kapitel gewidmet, um eine Übersicht über den Diskussionsstand in diesem Bereich zu geben. Als zentrale ethische Problemfelder haben sich hierbei der Umgang mit Imaging-Daten und künftig mögliche Eingriffe in das Gehirn im Zug einer möglichen Renaissance der Psychochirurgie, der Fortschritte in der Neuroprothetik und den zunehmenden Möglichkeiten des neural enhancement ergeben. Auf die seit längerer Zeit laufende Debatte um Auswirkungen der Neurowissenschaft auf Recht und Philosophie wird nur am Rande eingegangen.

Die Studie schliesst mit einer Ausformulierung des Grundproblems, welches sich die Wissenschaftler im Bereich „Neurobiologie der Moralfähigkeit“ stellen. Darauf aufbauend wird aufgezeigt, worin die Probleme in der bisherigen Forschung bestehen – vorab eine Art Blindheit gegenüber den kategorial verschiedenen Problemen, die in diesen Forschungskomplex involviert sind. Die Untersuchung der Grundlagen der moralischen Orientierung würden demnach nicht nur die Neurobiologie des moral agent umfassen. Benötigt werden auch eine Phänomenologie des moral agent, eine Theorie der Interaktion solcher agents, eine Ethologie des Moralverhaltens und den Einschluss einer kulturwissenschaftlichen Perspektive im Sinn einer Kulturgeschichte der Moral. Für all diese Bereiche werden im Raum Zürich interessierte Wissenschaftler genannt, welche bei einer umfassenderen Untersuchung der Grundlagen moralischer Orientierung beteiligt werden könnten. (Stand des Textes: April 2006).

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