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Wir setzen auf den Standort Schweiz

BT: Herr Lamps, wohin wird Ares-Serono auswandern, wenn die Gen-Schutz-Initiative angenommen wird?

Christophe Lamps: Wir setzen voll auf den Standort Schweiz. Wir halten die Schweiz für den besten Gentech-Standort in Europa, insbesondere wegen der exzellenten Forschung. Wir werden im Zeitraum von 1993 bis ins Jahr 2000 gut 700 Millionen Franken hier investieren, das sind 70 bis 80 Prozent des gesamten Investitionsvolumens. Wir haben also kurz und mittelfristig keine Absicht, unsere Aktivitäten wegen der Gen-Schutz-Initiative einzuschränken.

BT: Das Volksbegehren lässt Sie also kalt?

Lamps: Die Initiative betrifft unsere Produktion nicht. Da man gemäss Initiativtext das Fehlen von Alternative von - in unserem Fall - gentechnisch hergestellten Medikamenten aufzeigen müsste, würde sich unser administrativer Aufwand erhöhen. Probleme werden wir aber im Bereich Forschung bekommen. Beispielsweise das kürzlich von uns übernommene Forschungszentrum von Glaxo in Genf arbeitet auch mit transgenen Tieren. Dieser Bereich müsste geschlossen werden, beziehungsweise einige Kilometer rüber nach Frankreich verschoben werden. Zudem wird unsere Zusammenarbeit mit den Universitäten erheblich erschwert, denn diese könnten nicht mehr im selben Mass Grundlagenforschung betreiben, würde die Initiative angenommen. Langfristig müssten wir uns daher schon überlegen, warum wir als Leader im Bereich Gentechnik unsere Aktivitäten ausgerechnet in jenem einzigen Land der Welt konzentrieren wollen, das die Gentechnologie derart strikt regelt.

BT: Also doch eine leichte Drohung?

Lamps: Die Initiative ist nicht in erster Linie ein Problem für die Industrie, denn insbesondere die grossen Konzerne können ihre Aktivitäten auch in anderen Staaten fortsetzen. Doch die Hochschulen können das nicht. Diese leisten im Übrigen auch den weitaus grösseren Anteil der Forschung.

BT: Arbeitsplätze werden Sie also bei einem Ja zur Genschutz-Initiative nicht abbauen.

Lamps: Bei uns betrifft es in der Tat nur etwa 20 bis 30 Personen, die mit transgenen Tieren arbeiten und demnach betroffen wären. Generell wird die Schweiz aber von einer Technologie abgeschnitten. Dabei handelt es sich um einen Bereich, der auf die Schweizer Mentalität zugeschnitten ist: Gentechnisches Arbeiten verlangt eine gute Ausbildung, Sauberkeit und Präzision.

BT: Aber wird die Gentechnologie nicht einfach nur andere Arbeitsplätze ersetzen oder sogar zu deren Abbau beitragen?

Lamps: Zum einen wird die Gentechnologie tatsächlich andere Produktionsweisen ersetzen. Koppelt sich die Schweiz von der Gentechnologie ab, so geschieht diese Ersetzung halt anderswo und die Schweiz verliert Arbeitsplätze. Ausserdem bin ich überzeugt, dass die Gentechnologie auch neue Arbeitsplätze schaffen wird, wenn man etwa an jene Medikamente denkt, die sonst gar nicht hergestellt werden könnten.

BT: Aber die Initiative verbietet die Gentechnologie nicht generell!

Lamps: Das nicht, doch sie behindert die Forschung. Und die Arbeitsplätze gehen dorthin, wo die Forschung gut ist.

BT: Zurück zur Forschung. Wieviele transgene Tiere verbrauchen sie?

Lamps: Im neuerworbenen Forschungszentrum in Genf beruhen etwa zehn Prozent der Forschungsaktivitäten auf transgene Mäuse. Das sind pro Jahr eine bis zwei Mauslinien mit einigen Dutzend Tieren.

BT: Das tönt nach wenig. Kann man darauf nicht verzichten?

Lamps: Nein, denn der Einsatz dieser Tiere ist ein Glied in einer Kette. Wir versuchen Medikamente für komplexe Krankheiten zu entwickeln. Die damit zusammenhängende Forschung kann man nicht einfach im Reagenzglas machen. Wir beschränken aber den Einsatz transgener Tiere, denn deren Herstellung ist sehr teuer.

BT: Und wo bleibt die Ethik?

Lamps: Wir töten Tiere, um sie zu essen. Warum sollte man nicht Tiere verwenden, um Medikamente zu entwickeln. Zudem müssen wir für die entsprechenden Versuche eine Bewilligung einholen.

BT: Gentechnisch manipulierte Tiere braucht Ares-Serono kaum. Wofür setzen Sie Gentechnologie in erster Linie ein?

Lamps: Ich kann das an einem Beispiel erklären: Für die Gewinnung von Fertilitätsprodukten (Hormone zur Behandlung von Unfruchtbarkeit bei Frauen) verwendeten wir im vergangenen Jahr 70 Millionen Liter Urin von 200'000 Frauen, die diesen freiwillig abliefern. Damit ist ein riesiger Aufwand verbunden, zudem ist ein Risiko der Verunreinigung vorhanden. Durch die gentechnische Produktion dieser Substanzen sinken Aufwand wie Risiko. In den kommenden Jahren werden wir einen immer grösseren Anteil dieser Produkte gentechnisch herstellen.

BT: Und wird das Medikament auch billiger?

Lamps: Die Kosten für den Patienten bleiben im selben Rahmen, denn die Entwicklung der gentechnischen Methoden kostet viel Geld.

BT: Trotzdem, Ares-Serono setzt voll auf Gentechnik?

Lamps: Das ist richtig. Bis ins Jahr 2000 wollen wir 90 Prozent unserer Produkte mittels Gentechnologie herstellen, derzeit sind es 35 Prozent, bis Ende 1998 50 Prozent. Es gibt wohl nur wenige Firmen weltweit, die so massiv auf die Gentechnik setzen. Das liegt natürlich auch daran, dass unsere Produkte sich für diese Produktionsweise besonders gut eignen.

BT: Warum dieses Engagement trotz des riesigen finanziellen Aufwandes?

Lamps: Natürlich investieren wir sehr viel in diese neue Technologie. Doch wir sind überzeugt, dass sich das langfristig lohnen wird. Dazu kommt, dass wir auch Medikamente - etwa für Multiple Sklerose - entwickeln, die sich vernünftigerweise nur auf gentechnischem Weg herstellen lassen.

BT: Da sind sie offenbar eine Ausnahme, denn oft wird kritisiert, dass die Gentech-Industrie in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten eigentlich nur Investitionskapital verbraucht hat. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Lamps: Gentechnologie ist teuer und die dort getätigten Investitionen sind erst langfristig rentabel. Doch es gibt genügend Anzeichen, dass diese Rentabilität auch tatsächlich eintrifft. Derzeit sind weltweit rund 500 mittels Gentechnik gewonnene Produkte in der klinischen Erprobungsphase. Sicherlich werden nicht alle diese Phase erfolgreich bestehen. Ich persönlich schätze aber, dass in Zukunft der Anteil gentechnisch erzeugter Medikamente zwanzig bis dreissig Prozent der Gesamtmenge aller Heilmittel beträgt.

BT: Wenn wir gerade von Geld sprechen: Sie sind neben Novartis und Roche Mitglied von Interpharma. Gemäss deren Aussage wird die Wirtschaft mindestens 10 Millionen Franken zum Kampf gegen die Gen-Schutz-Initiative einsetzen. Wieviele Millionen kommen von Ihnen?

Lamps: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Nur so viel: als kleinstes der drei Unternehmen entsprechend auch am wenigsten. Ausserdem glaube ich nicht, dass man Abstimmungen nur mit Geld gewinnen kann. Die Argumente zählen.

BT: Kommen diese aber von Seiten der Industrie, so werden diese gemäss Umfragen am wenigsten geglaubt. Was wollen Sie machen, um Ihr Image zu verbessern?

Lamps: Wir Informieren. Beispielsweise haben wir an alle Sektionen der Grünen Partei eine Einladung geschicht, unsere Labors und Produktionsstätten zu besichtigen. Bisher hat nur die Sektion des Kantons Neuenburg zugesagt...


Gentech-Leader: Christophe Lamps (Vice President Corporate Affairs & Investors Relations) ist Kommunikationschef jenes Schweizer Pharma-Konzern, der am massivsten auf die Karte Gentechnologie setzt. Das Unternehmen betätigt sich erfolgreich in einem Nischenmarkt und stellt vor allem Produkte zur Behandlung von Unfruchtbarkeit, Wachstumsstörungen, Muskelschwund und Multipler Sklerose her. Der weltweit operierende Konzern mit Sitz in Genf ist der kleinste Pharma-Multi, der als Global Player auftritt. In der Schweiz beschäftigt Ares-Serono mehr als 1000 Personen, das sind 25 Prozent des gesamten Konzerns. Ende 1997 kaufte der Konzern das renommierte Glaxo-Forschungszentrum in Genf mit gut 150 Mitarbeitern. Der Konzern investiert derzeit 350 Mio. Franken, um in Corsier-sur-Vevey eine neue Produktionsstätte für gentechnisch hergestellte Medikamente zu errichten.

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