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Mehr Organe? Kulturwandel ist entscheidend

Die Hoffnung, dass ein Wechsel des Zustimmungsmodells die Zahl der Organspenden erhöht, ist trügerisch. Entscheidender dürfte ein Kulturwandel in den Spitälern sein.

Wie kann man die Zahl der Organspenden erhöhen? Eine oft genannte Antwort ist die Änderung des Modells der Willensäusserung: Anstatt dass eine Person zu Lebzeiten explizit einer Organspende zugestimmt haben muss, um ihr Organe entnehmen zu dürfen, soll das Widerspruchsmodell gelten: Man nimmt eine Zustimmung an, ausser die Person hat eine Organentnahme explizit abgelehnt.

Der Hauptgrund für die Erwartung höherer Spendezahlen ist dabei nicht, dass Verstorbene automatisch zu Organspendern werden. Die Hoffnung ist vielmehr, dass die Angehörigen der verstorbenen Person entlastet werden. Denn in der grossen Mehrzahl der Spende-Entscheide fehlt eine Willensäusserung der betroffenen Person. In diesem Fall werden in der Regel die Angehörigen zu Rate gezogen – unabhängig vom geltenden Modell der Willensäusserung. Im Fall der Widerspruchslösung ist dann die Hoffnung, dass die Angehörigen bei fehlender Willensäusserung getrost davon ausgehen könnten, dass der Verstorbene nichts gegen eine Organentnahme hätte. Denn wäre es der Person wichtig gewesen, nicht spenden zu wollen, hätte sie diesen Willen festgehalten.

Die Angehörigen haben also auch in der Widerspruchslösung eine zentrale Rolle in der Entscheidfindung. Man würde nicht gegen einen vehementen Widerspruch der Angehörigen Organe entnehmen – selbst dann nicht, wenn eine explizite Zustimmung vorliegt, wie publizierte Einzelfälle zeigen (was freilich ebenfalls ethische Fragen stellt).

Um eine kausale Beziehung zwischen dem Modell der Willensäusserung und der Spenderate herstellen zu können, muss also folgende Frage beantwortet werden: führt die Widerspruchslösung tatsächlich dazu, dass die Angehörigen eine fehlende Willensäusserung bei der verstorbenen Person als Indiz für eine Zustimmung werten? Interessanterweise zeigt eine 2018 von uns zuhanden des BAG verfasster Bericht, dass Studien zu dieser Frage weitgehend fehlen. Hinweise, dass generell ein positiver Zusammenhang zwischen Widerspruchsmodell und Spenderate besteht, haben sich zwar verdichtet. Doch obwohl es eine Vielzahl von Untersuchungen über einzelne Einflussfaktoren auf den Prozess der Willensbildung der Angehörigen gibt, fehlt derzeit eine schlüssige Untersuchung dazu, ob und wie das Willensäusserungsmodell die Zustimmungsrate der Angehörigen direkt beeinflusst. Kulturelle und sozioökonomische Faktoren bilden zudem wichtige Randbedingungen – und in manchen Staaten hatte der Wechsel zum Widerspruchsmodell den gegenteiligen Effekt auf die Spenderate, weil diese Faktoren nicht passend waren.

Es ist deshalb kein Zufall, dass führende Vertreter des Vorzeigelands Spaniens regelmässig betonen, dass nicht das rechtliche Modell der Willensäusserung, sondern organisatorische Massnahmen in den Spitälern gepaart mit einer der Organspende positiv eingestellten Kultur der Hauptgrund für die hohen Spendezahlen sind. Vermutlich ist das Vorliegen eines Widerspruchsmodells in einem Land deshalb eher als Indiz für eine solche positive Kultur zu sehen und weniger als kausaler Faktor, der automatisch zu einer höheren Spenderate führt.


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