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Klimaveränderung: Was kann man wissen? Mächtige Prognose auf unsicherem Fundament

Heerscharen von Forschern versuchen, das Klima der Zukunft zu ermitteln. Solche Prognosen gewinnen für Entscheidungsträger immer mehr an Bedeutung. Doch sie könnten ganz andere Auswirkungen haben, als beabsichtigt.

Jüngst fragte sich die Klima-Gemeinschaft bange: Folgt dem Schnee die Tauflut? Werden die Jahrhundert-Schneemengen in den Alpen abschmelzen bis zum befürchteten Mittel-„Land unter“? Den Teufel wollen die Experten zwar nicht an die Wand malen (siehe Kasten), doch das grosse Interesse an der Pressekonferenz vom vergangenen Mittwoch in Bern zeigt eins: Voraussagen über das Klimageschehen und insbesondere über die Auswirkungen des Klimawandels stossen auf grosses Interesse.

Dies hat eine Reihe von Gründen. Erstens sind die Klimaforscher erst seit wenigen Jahren überhaupt in der Lage, brauchbare Szenarien - sprich solche, denen eine gewisse Eintretenswahrscheinlichkeit zugesprochen werden kann - von „Klima-Zukunften“ zu entwickeln. Denn dazu braucht es zum einen eine grosse Menge von Daten, vor allem auch solche aus früheren Zeiten. Geliefert werden sie von der Paläoklimatologie, welche jüngst grosse Fortschritte vorweisen kann, wie Christoph Frei vom Geographischen Institut der ETH Zürich erklärt. Zum anderen stehen jetzt die benötigten Computer-Kapazitäten bereit, die Modellrechnungen auch für regional begrenzte Gebiete zulassen. Die frühen Modell der 70er Jahre konnten nur die Veränderungen globaler Durchschnittstemperaturen behandeln.

Zweitens präsentiert sich die moderne Gesellschaft auch zunehmend anfälliger für Klimaschwankungen. Die Überbevölkerung zwingt zur Besiedelung von Gefahrengebieten. Die Wirtschaft globalisiert sich in dem Sinn, dass Katastrophen in der einen Ecke der Welt durchaus auch die Ökonomie in anderen Gebieten treffen können - und sei es nur der zu erwartende steigende Kaffeepreis als Folge des verheerenden Wirbelsturms „Mitch“ in Zentralamerika. Die Wirtschaft - und nicht nur die Rückversicherungsgesellschaften - hat also steigendes Interesse an Klima-Prognosen, die demnach an Macht gewinnen.

Damit ist aber nicht gesagt, dass die Klima-Voraussagen auch diejenigen Wirkungen haben, welche sich Umweltschützer wünschen. Das Klimaphänomen „El Nino“ liefert solche Beispiele, wie die Experten für Klimavorhersage und wirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels A. Pfaff, K. Broad und M,. Glanz im jüngsten Wissenschaftsmagazin „Nature“ schreiben. Tatsächlich war die Prognose des Warmwassereinbruchs im südöstlichen Pazifik (El Nino) mit seinen global spürbaren Auswirkungen im Winter 1997/98 ein grosser Erfolg der Klimaforscher. Dieses natürliche, zyklische Phänomen hat unter anderem für die peruanische Fischereiindustrie verheerende Folgen, da die das kalte Wasser liebenden Fischschwärme ausbleiben.

Die Freunde der Nachhaltigkeit mögen nun solche Prognosen zum Anlass nehmen, die unter Klimastress stehenden Fischschwärme für einmal in Ruhe zu lassen. Die Fischindustrie will aber Prognosen, um die Fische wiederfinden und fangen zu können. Tatsächlich erstellt man Klimaprognosen nicht nur deshalb, um den Warnfinger erheben zu können. Die Entscheidungsträger wollen vielmehr Auskünfte darüber, wo was passieren könne - um Katastrophedispositive zu erhöhen - oder auch, um wirtschaftliche Strategien ändern zu können.

Gerade dieser Punkt wird die Macht von Klima-Prognosen erhöhen. Bereits im vergangenen El-Nino-Ereignis sollen die grossen Fischereiunternehmen die Entscheidungsträger in Peru dazu gedrängt haben, den kommenden El Nino bezüglich Dauer und Intensität „richtig“ darzustellen - ein hübsches Job-Angebot habe so manche offizielle Presse-Mitteilung verzerren lassen, so das Gerücht. Man stelle sich nun vor, die Klimaforscher könnten dereinst ziemlich genau sagen, welche Regionen künftig klimatisch als „Risikogebiete“ gelten. Dies ist nichts anderes als ein ökonomisches Todesurteil für jene die Pech haben, denn die Investoren werden diese Gebiete künftig meiden wie der Teufel das Weihwasser. Je grösser das Ansehen von Klimaprpgnosen, desdo mehr werden solche informationen purer Sprengstoff für die Investment-Märkte.

Das Beispiel El Nino zeigte aber auch, wie schwierig es ist, die immer noch mit Unsicherheit behafteten Aussagen der Klimaforscher auch richtig zu verkaufen. Zwar wurden umfangreiche Informationen auf dem Internet bereit gelegt - doch wer in Peru hat schon Zugang zum Internet und wer versteht englisch? Die Medien wiederum verstehen die „Wissenschaft El Nino“ meist nicht und verbreiten simplifizierte Informationen. Eine wirksame Kimavoraussage ist demnach erst dann gegeben, wenn auch die Vertriebswege der Information Mindeststandarts genügen, so Pfaff, Broad und Glantz.

Die Wissenschaftler selbst sind sich im klaren, dass ihre Modelle immer noch Szenarien und keine eigentlichen Prognosen lieferen (siehe Kasten). Die Gemeinschaft der Klimaforscher diskutiert denn auch ständig die Qualität der einzelnen Modelle, so Christoph Frei. Für die öffentliche Propagierung des Themas eignen sich solche ständigen (und eben auch berechtigten) Relativierungen aber nur schlecht, liefern sie doch jenen Munition, die in der Klimaveränderung gleichsam eine Verschwörung des „umweltschützlerisch-wissenschaftlichen Komplexes“ sehen. Also steigt die Versuchung, Klima-Szenarien den Charakter von Prognosen zu geben, um deutlich zu machen, dass etwas geschehen muss. Der Umgang mit solchen Prognosen könnte aber eine Eigendynamik entwickeln, die dem eigentlichen Ziel - Verminderung des menschlichen Einflusses auf das Erdklima - entgegenwirkt. Die Ergebnisse der Klimaforschung dient dann nicht zur Einleitung von Gegenstrategien sondern zur Optimierung des Kapitals.


Das Klima ändert sich - doch ist der Mensch schuld?

„Die Abwägung der Erkenntnisse legt einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima nahe.“ Mit diesem Satz des zweiten IPCC-Berichtes - also der Stimme der Weltgemeinschaft der Klimaforscher - rückte 1996 der Mensch auf die Anklagebank des Klimagerichts. Dass sich das Klima ändert, ist heute gesichert. Ziemlich sicher ist man auch, dass die Klimaänderung die Wahrscheinlichkeit von extremen Wetterereignissen erhöhen könnte. Denn die globale Durchschnittstemperatur nimmt zu und damit auch die gesamte Energiemenge, die im Klimasystem gefangen ist. Eine Reihe von Prozessen (etwa die Wassersättigung der Atmosphäre), die bei zunehmender Energie extremere Auswirkungen (mehr und heftigere Niederschläge) zur Folge haben könnten, wird dadurch direkt beeinflusst. Weniger gesichert ist aber die Hypothese, dass die menschlichen Aktivitäten den Klimawandel wesentlich verursachen. Die kürzlich wiederaufgeflammte Debatte um (eigentlich schon früher bekannte) Forschungsergebnisse, wonach die steigende Sonneneinstrahlung die globale Erwärmung verursachen, haben dies beispielsweise gezeigt.

Im jüngsten „Nature“ präsentieren nun englische Forscher Ergebnisse, die Zweifel an einer weiteren Hypothese laut werden lassen - dass der (menschlich verursachte) Klimawandel grössere Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen hat als die natürlichen Klimaschwankungen.

Die konventionelle Methodologie der Klimamodellierung basiert gemäss den Forschern darauf, dass man die Entwicklung bestimmter interessanter Umwelt-Parameter (z.B. Wasserabfluss bei Flüssen, Wachstum von Pflanzen) zunächst unter dem jetzt herrschenden Klima simuliert und das Ergebnis mit einer Simulation unter der Bedingung „Klimawandel“ (Anstieg des CO2-Gehaltes) vergleicht. Der festgestellte Unterschied gilt dann als Abschätzung des menschlichen Einflusses auf das Klima. Dieses Vorgehen vernachlässige aber die natürliche Variabilität des Klimas, so die Forscher. Damit ist gemeint, dass das Klima sich aufgrund der Vielfalt der beeinflussenden Faktoren immer in gewissen Grenzen ändert.

Um dieser Problematik auszuweichen, haben die Forscher ganze Gruppen von solchen Simulationen miteinander verglichen - und zwar für die Parameter „Wasserabfluss“ und „Getreidewachstum“ in Europa. Eine solche Gruppe entsteht dadurch, dass man jeweils eine der Anfangsbedingungen der Simulation leicht verändert und dadurch die natürliche Variabilität der einzelnen Faktoren nachbildet. Diese Simulationen liefern nun Werte für die interessierenden Parameter, welche sich in einer gewissen Bandbreite bewegen. Die Forscher verglichen die simulierten Einflüsse des menschlich verursachten Klimawandels mit den Maxima der Gruppe von Simulationen, welche die natürliche Variabilität darstellten.

Mit diesem Vorgehen fanden die Forscher nun heraus, dass der Einfluss der natürlicher Variabilität grösser sein kann als der Einfluss des (menschlich verursachten) Klimawandels. Demnach kann es sehr schwierig sein, die Einwirkung des Klimawandels überhaupt feststellen zu können. Damit sei nicht gesagt, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlage nicht beeinflussen werde. Hingegen dürfe die Möglichkeit nicht vergessen werden, dass manche Einflüsse der natürlichen Klima-Variabilität unsere Lebensgrundlagen stärker treffen werden als der Klimawandel.


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