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Unliebsame Geschenke des Klima-Christkinds

Vorboten des stärksten je gemessenen El-Nino-Phänomens lassen in weiten Teilen der Erde das Klima verrückt spielen. Wissenschaftler rechnen damit, dass der diesjährige El Nino (das peruanische Wort für Christkind) zum bedeutendste Klimaereignis dieses Jahrhunderts aufsteigen wird. Die frühe Prognostizierung des Phänomens ist aber auch ein Erfolg der weltweiten Forschung im Klimabereich.

Es ist keine Zufall, dass im Ostpazifik mit „Linda“ in der vergangenen Woche der stärkste je in dieser Region verzeichnete Hurrikan getobt hat. Dasselbe gilt für die verheerende Trockenheit in Papua-Neuguinea. Das Land steht vor einer Hungersnot, welche rund eine Million Menschen bedroht. Indonesien wiederum steht eine katastrophale Kaffee-Ernte bevor, deren Folgen die Erzeugung dieses Genussmittels des tropischen Landes auf rund 40 Prozent reduzieren dürfte. Die Kaffee-Exporte werden drastisch fallen, was der Weltmarkt zu spüren bekommen wird. Es ist auch kein Zufall, dass Costa Rica Anfang September den Notstand erklärt hat, nachdem seit Wochen eine anhaltende Hitzewelle herrscht. Diese hat der Landwirtschaft Einbussen von mehreren Millionen Dollar beschert. Schliesslich erfährt auch die Fauna im Meer um die Galapagos-Inseln eine erstaunliche Änderung: Zahlreiche Meerestiere verlassen die Region, denn die Wassertemperaturen erreichen ungewöhnliche Höhen. Die US-Westküste wiederum erlebt eine ungewöhnliche Invasion von Tropenfischen, welche dort eigentlich nichts zu suchen haben. Was ist los im Pazifik?

El Nino so stark wie noch nie

Die Wissenschaftler des Weltklima-Forschungsprogramms, welche sich Ende August in Genf getroffen haben, nenne die Antwort ENSO (vgl. mit Kasten). Derzeit ist im tropischen Pazifik das stärkste, je gemessene El-Nino-Ereignis im Gang. El Nino - das peruanische Wort für Christkind - bezeichnet einen warmen Meeresstrom, der alle drei bis acht Jahre in ungewöhnlicher Stärke vor der Küste Perus und Ecuadors auftaucht. El Nino ist der effektivste Bestandteil des ENSO-Phänomens, welche in erster Linie das Klima der südlichen Hemisphäre beeinflusst, aber auch bis Europa zu spüren ist. Manche Meteorologen sehen auch in den heftigen Regenfällen in Mitteleuropa, welche zu den verheerenden Überschwemmungen in Polen, Tschechien und Ostdeutschland geführt haben, Vorboten von El Nino. Mancherorts können die Wassertemperaturen um bis zu zwölf Grad steigen, was natürlich auch das Klima beeinflussen wird.

Dass dies keine leeren Befürchtungen sind, zeigt das El-Nino-Ereignis von 1982/83: Damals führte El Nino zu Trockenheit und dadurch verursachten Buschfeuer in Australien, Südafrika, Mittelamerika, Indonesien, auf den Philippinen und in Indien. In den USA, am Golf von Mexiko, in Peru, Ecuador, Bolivien und Kuba kam es wiederum zu Überflutungen. Dies hängt damit zusammen, dass die veränderten Meerestemperaturen die Niederschlagsverhältnisse quasi umkehren (vgl. mit ENSO-Kasten). Zudem schaffen die warmen Meerestemperaturen die Voraussetzung zur Entstehung von Wirbelstürmen. Solche haben 1982/83 Hawaii und Tahiti verheert. Insgesamt verursachte das damalige El-Nino-Ereignis den Tod von über 2000 Menschen. Hunderttausende weitere verloren ihr Obdach. Es entstanden Schäden von 13 Milliarden Dollar.

Diesmal dürften die Auswirkungen sogar gravierender ausfallen, meint Jagadisch Shukla, Präsident des Washingtoner Instituts für Globale Umwelt- und Gesellschaftsforschung (vgl. mit Interview). So dürfte es zu ähnlichen Auswirkungen wie 1982/83 kommen. Kanada wird zudem ein milder Winter erleben, während der Süden der USA im Winter unter heftigen Regenfällen leiden könnte. Erste Vorboten von El Nino sind wie oben erwähnt schon mancherorts feststellbar.

Erfolg der Klima-Prognostiker

Das El-Nino-Ereignis von 1982/83 hatte die Klimaforscher damals vollkommen überrascht. Die daraus erwachsenen Schäden waren mit der Grund, das Phänomen soweit verstehen zu wollen, dass Prognosen möglich sind. Im Jahr 1985 begann deshalb das TOGA-Forschungsprogramm (TOGA steht für Tropical Ocean Global Atmosphere) als Teil des 1980 gestarteten Weltklima-Forschungsprogramms WCRP der UNO. Das zehn Jahre dauernde TOGA-Programm hat entscheidendes über die Entstehung und die Mechanismen des ganzen ENSO-Phänomens zu Tage gebracht. In enger Zusammenarbeit überzogen Meteorologen und Ozeanographen den südlichen Pazifik mit einem dichten Messnetz: Schwimmbojen und versenkbare Driftbojen lieferten Daten von Meeresströmen, dazu kamen Informationen von Schiff- und Landstationen und schliesslich von Satelliten. Aus der Vielfalt von Daten erstellten Klimatologen Computermodelle, welche Prognosen erlauben. Als im Frühling 1997 die ersten Daten vom Messnetz kamen, war klar: hier bahnt sich ein grosses El-Nino-Ereignis an. Somit wird auch der Nutzen von Forschungsprogrammen wie TOGA deutlich: Man kann sich auf kommende Ereignisse einstellen und damit Milliardenschäden verhindern helten.

Peru jedenfalls bereitet sich vor: Präsident Alberto Fujimori hat ein Notprogramm angekündigt. Für die Bevölkerung an der Nordküste des Landes werden Nahrungsmittel- und Ölvorräte angelegt. Rund 12’000 Menschen werden zudem aus überschwemmungsgefährdeten Gebieten evakuiert. El Nino kann kommen.


Das ENSO-Phänomen

Die Fischer vor der Küste Perus kennen schon lange ein seltsames Phänomen: Jeweils um Weihnachten sind die Netze nicht so gefüllt wie sonst, alle drei bis acht Jahre kommen dazu noch eine Reihe beunruhigender Wettererscheinungen hinzu: dort, wo es sonst nicht regnet, öffnen sich due Himmelsschleusen und umgekehrt. Die Menschen dieser Region nennen dieses Ereignis El Nino, das peruanische Wort für Christkind.

Natürlich ist nicht göttliches Wirken schuld am mager gedeckten Weihnachtstisch der peruanischen Fischer. Vielmehr gibt es auf der Erde eine Reihe bekannter, zyklischer Klima-Erscheinungen von erstaunlicher Grössenordnung. Das ENSO-Phänomen ist eine davon und für das Verständnis von El-Nino-Prozessen von entscheidender Bedeutung. ENSO steht für El Nino Southern Oszillation und bezeichnet zwei gekoppelte Prozesse im südlichen pazifischen Ozean und der darüberliegenden Luftschichten. Doch diese Klimaprozesse sind für uns nicht so bedeutungslos, wie der weite geographische Abstand vermuten lässt. Wenn ENSO spielt, spürt das die Welt.

Der „Normalzustand“ lässt sich in etwa so beschreiben: Auf der Südhalbkugel wehen die Passatwinde in Richtung Westen, was mit den dortigen grossen Zirkulationssystemen in der Atmosphäre zusammenhängt. Zwischen Südamerika und Australien führt der ständige Wind dazu, dass das Wasser an der Ostküste Australiens 40 Zentimeter höher steht als an der Westküste Südamerikas. Dazu kommt der Humboldt-Strom, ein kalter Meeresstrom vor der Küste Perus. Dieses kalte Wasser enthält viel Nährstoffe und die dort lebenden Fische haben genug zu fressen. Somit erfreuen sich die Fischer Perus guter Erträge.

Nun gibt es periodische Luftdruckschwankungen in der Atmosphäre der Südhalbkugel, die sogenannte Southern Oszillation. Diese Schwankungen können zweierlei bewirken: Zum einen können sich die Passatwinde abschwächen. Demnach sinkt der Meeresspiegel vor der Küste Australiens um 20 Zentimeter und vor der Küste Perus steigt er um 15 Zentimeter. Es schwappt gewissermassen eine riesige Warmwasserwelle von Westen her gegen Südamerika und verdrängt das kalte, nährstoffreiche Wasser in tiefere Meeresschichten. Folglich nimmt das Nährstoffangebot und damit auch die Anzahl Fische vor der Küste Perus ab: Ein El Nino ist geboren. Zum anderen können sich die Passatwinde auch verstärken. Damit sinkt der Meeresspiegel vor der Küste Perus um etwa 5 Zentimeter ab, während er bei Australien um weitere zehn Zentimeter ansteigt. Dies ist gleichbedeutend mit einem Kaltwassereinbruch vor der Küste Perus, was die dortigen Menschen La Nina nennen.

In unregelmässigen Abständen von drei bis acht Jahren können El-Nino-Ereignisse enorm verstärkt auftreten. Dies kann das gesamte atmosphärische Zirkulationssystem und damit auch die Niederschlagsverhältnisse über der südlichen Halbkugel durcheinanderbringen, mit gravierenden ökologischen Folgen: In sonst niederschlagsreichen Gegenden (etwa in Australien) herrscht Trockenheit, während die Wüsten von Equador bis Nordchile - sonst die trockendste Region der Erde - erblühen. Weiter wird der Monsum beeinflusst, was für Indien von enormer Bedeutung ist. Ein starkes El-Nino-Ereignis mindert die Monsum-Niederschläge mit teils katastrophalen Folgen. Neuere Forschungen zeigen sogar Auswirkungen bis hin zu Europa, viele Tausend Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt (vgl. mit nebenstehendem Interview).


BT: Was bedeutet El Nino für Europa?

Shukla: Neue Messungen haben eine starke Korrelation zwischen El-Nino-Ereignissen und dem Regen über Europa festgestellt. Wir können also heute davon ausgehen, dass el Nino für Europa eine Bedeutung hat.

BT: Sind das gesicherte Erkenntnisse?

Shukla: Derzeit fehlt noch ein Modell, das die beobachtete Korrelation erklärt. Insofern ist der Zusammenhang nicht gesichert. Die jetzt zur Verfügung stehenden Daten geben aber starke Hinweise darauf, dass Auswirkungen in Europa zu erwarten sind. Europäische Forscher haben diesbezüglich auch erste Erfolge erzielt. So existiert ein Modell, dass den Effekt von el Nino auf das europäische Wetter im Frühling vorhersagen kann, und diese Prognosen stimmen mit den tatsächlichen Auswirkungen ziemlich gut überein.

BT: welche auswirkungen sind das?

Shukla: Ein warmer El Nino führt offenbar zu stärkeren Regenschauern in Europa.

BT: Der kommende El Nino wird so stark, wie noch nie. Hat dies etwas mit dem durch den menschen verstärkten Treibhauseffekt zu tun?

Shukla: Wir haben derzeit kein Modell, das einen solchen Zusammenhang erklärt. Demnach haben wir noch keine Fundierung für diese Behauptung. Wir haben Modelle für el Nino und wir haben Modelle für den treibhauseffekt, doch diese sind von verschiedener Komplexität und man kann sie nicht einfach zusammenbringen. Die Intuition sagt uns aber, dass die starken El Ninos der vergangenen Jahrzehnte etwas mit dem Treibhauseffekt zu tun haben.

BT: Warum kommen die Klimaforscher zu dieser Intuition?

Shukla: Betrachtet man den Zeitraum von 1900 bis 1975, so halten sich die Anzahl warme und kalte El Nino-Ereignisse die Waage. Seit 1976 nimmt die Anzahl warmer El-Nino-Ereignisse markant zu. Diese Tatsachen motivieren die forscher natürlich dazu, einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen herzustellen.

BT: Was brauchen die Klimaforscher, um zu gesicherten Modellen und damit auch zu einem erkläraren Zusammenhang zwischen dem Treibhauseffekt und El Nino zu gelangen?

Shukla: Die derzeitigen Modelle bedürfen einer grösseren Auflösung und demnach brauchen wir viel mehr Rechenkapazität. Uns fehlen also die Computer. Andererseits benötigen wir auch mehr Daten, um die erstellen Modelle prüfen zu können.


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